Autor: Günter Köck

Die diesjährige EuroMAB-Konferenz in Bad Kleinkirchheim (siehe Bericht hier: Link) bot auch den passenden Rahmen, das 50jährige Jubiläum der Gründung des österreichischen MAB-Nationalkomitees würdig zu begehen.

Das heimische MAB-Nationalkomitee wurde im Jahr 1972, also nur ein Jahr nach der Gründung des UNESCO-MAB-Programms, auf der Basis eines Vertrages mit dem Ministerium für Wissenschaft und Forschung an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eingerichtet, um die MAB-Forschung zu steuern und zu koordinieren. Österreich zählt damit zu den ersten Nationen, die sich am MAB-Programm beteiligten.1

Im Rahmen der Plenarveranstaltung am Eröffnungstag der EuroMAB-Konferenz am 13. September 2022 diskutierten im Rahmen eines von Lisa Wolf (E.C.O. Klagenfurt) moderierten Round Tables die  Vorsitzende des österreichischen MAB-Nationalkomitees, Marianne Penker (BOKU Wien), der ehemalige Vorsitzende und aktuelle Vizevorsitzende des Nationalkomitees, Arne Arnberger (BOKU Wien), der langjährige Generalsekretär des Nationalkomitee und österreichischer Vertreter im MAB International Coordinating Council in Paris, Günter Köck (ÖAW) sowie der wohl dienstälteste österreichische Biosphärenpark-Mitarbeiter, Christian Diry (Biosphärenpark Wienerwald), über die Faktoren, die zur international herausragenden Performance des österreichischen MAB-Programms geführt haben. Die Runde war sich einig, dass nach den ersten drei Jahrzehnten, in den ausgezeichnete Forschungsleistungen erbracht wurden, mit der fast zeitgleichen Übernahme der Agenden des MAB-Nationalkomitees durch Georg Grabherr (Vorsitzender von 2003-2014) und Günter Köck ein starker Modernisierungsschub eingesetzt hat.

 

MP

v.l.n.r: Marianne Penker (BOKU Wien), Christian Diry (Biosphärenpark Wienerwald), Arne Arnberger (BOKU Wien) (© BP Nockberge)

 

Das Österreichische Nationalkomitee hat in den fünf Jahrzehnten seines Bestehens nicht nur herausragende Forschungsleistungen erbracht bzw. initiiert, sondern hat sich mit seiner Expertise auch intensiv an der Koordinierung und Weiterentwicklung des internationalen MAB-Programms beteiligt und damit hohes internationales Ansehen erworben.

Schon bei seiner Gründung wurde das Nationalkomitee vom Wissenschaftsministerium weitblickend mit einem eigenen Forschungsbudget ausgestattet. Damit kann das Komitee wissenschaftliche Defizite nicht nur identifizieren, sondern mit geeigneten Forschungsprojekten diese Wissenslücken auch füllen.

Insgesamt hat das MAB-Nationalkomitee, das mit seinem eigenen Forschungsbudget weltweit eine Sonderstellung einnimmt, in den fünf Jahrzehnten seines Bestehens eine Vielzahl von Forschungsprojekten finanziert. Die Projekte weisen ein weites Themenspektrum auf und reichen vom Klimawandel über Monitoring und Zukunftskonzepte bis zur Landschaftsökologie und sozialwissenschaftlichen Themen. Dabei wurden auch internationale Kooperationen mit Biosphärenparkprojekten in Griechenland, Tschechien, Deutschland, England, Chile, Äthiopien, Brasilien, Mexico, Peru und Bhutan finanziert.

Wichtige Meilensteine für das österreichische MAB-Programm waren sicherlich der im 2006 veröffentlichte und im Jahr 2015 überarbeitete nationale Kriterienkatalog für Biosphärenparks in Österreich2 so wie das 2017 erstellte Positionspapier zur Nutzung von Erneuerbaren Energien3 in österreichischen Biosphärenparks und ein 2019 veröffentlichter Leitfaden zur Umsetzung des Lima-Aktionsplans.4 Darüberhinaus entstehen aus den vom Österreichischen MAB Nationalkomitee finanzierten Forschungsprojekten nicht nur eine Reihe von Forschungsberichten, sondern auch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Artikeln in Fachzeitschriften. Darüber hinaus produziert bzw. (ko)finaziert das MAB-Nationalkomitee zahlreiche Bücher und Broschüren.5 Ein Highlight ist dabei sicherlich der vom Nationalkomitee zum 50-Jahre-Jubiläum des internationalen MAB-Programms organisierte und finanzierte Sonderband mit zahlreichen Beiträgen zum Thema „UNESCO Biosphärenparks in Berggebieten“ in der internationalen Fachzeitschrift eco.mont.6

Die engagierte Arbeit des Nationalkomitees und der heimischen Biosphärenparks in der internationalen MAB-Familie wird auch international honoriert, so wurde Österreich in den letzten 20 Jahren mehrfach in das Entscheidungsgremium des MAB-Programms, den MAB-International Coordinating Council (MAB-ICC) gewählt und übernahm in Person des Koordinators der ÖAW-Forschungsprogramme Günter Köck auch viermal den Vizevorsitz des internationalen MAB-Programms.

In Österreich sind vier Biosphärenparks von der UNESCO anerkannt und leisten international herausragende Arbeit als Modellregionen für nachhaltige Entwicklung. Mit der Region „Großes Walsertal“ wurde im Jahr 2000 der erste nach Sevilla-Strategie arbeitende Biosphärenpark eingerichtet. Im Jahr 2005 folgte der Wienerwald, im Jahr 2012 dann „Salzburger Lungau und Kärntner Nockberge“ und schließlich 2019 der Biosphärenpark „Unteres Murtal“. Letzterer ist seit 2021 Teil des weltweit ersten fünf Länder (Slowenien, Kroatien, Ungarn, Serbien, Österreich) verbindenden Biosphärenparks „Mur-Drau-Donau (TBR MDD)“.7

Das Nationalkomitee, das sich aus renommierten Wissenschaftler(inne)n sowie Vertreter(inne)n von Ministerien, Bundesländerorganisationen, der Österreichischen UNESCO Kommission und NGOs zusammensetzt, beobachtet die österreichische Forschungslandschaft, analysiert den Forschungsbedarf, formuliert neue Forschungsstrategien und stimuliert und finanziert Forschungsprojekte.

Darüber hinaus berät und unterstützt das Nationalkomitee die Verantwortlichen der Biosphärenparks in wissenschaftlichen und technischen Fragen und stellt das Bindeglied zum MAB-Sekretariat in Paris dar. Es ist auch für die Einreichung eines Gebietes als Biosphärenpark bei der UNESCO sowie für die Einhaltung der UNESCO-Vorgaben verantwortlich.

Weiterführende Informationen zum MAB-Programm der UNESCO

Das UNESCO-Programm “Der Mensch und die Biosphäre (Man and the Biosphere, MAB)” hat im Jahr 2021 sein 50-jähriges Bestehen gefeiert.8 Mit den Regionen Wienerwald, Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge, Großes Walsertal und Unteres Murtal sind vier österreichische Biosphärenparks gemeinsam mit dem österreichischen MAB-Nationalkomitee als wichtige Partner mit im Boot.

Das im Jahr 1971 gegründete zwischenstaatliche Forschungsprogramm widmet sich der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Ziel der Forschungsaktivitäten im Rahmen des MAB-Programms ist die Schaffung eines Gleichgewichts zwischen dem Schutz der Artenvielfalt, der Förderung einer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und der Bewahrung der kulturellen Werte.

Der Vorläufer war das im Jahr 1964 gegründete „International Biological Programm (IBP)“ der UNESCO, in dem sich die ökologisch orientierte Biologie erstmals international organisiert hat. Im Rahmen einer weltweit koordinierten Forschungsinitiative wurden Schlüsselökosysteme, von der Tundra bis zum tropischen Regenwald, mit dem Ziel untersucht, Prozesse, die das Funktionieren natürlicher Ökosysteme beeinflussen, besser zu vergleichen und verstehen zu können. Das IBP-Programm legte damit den Grundstein für das heutige Ökosystemkonzept. Ein Problem des IBP-Programms war jedoch, dass damals im Bemühen um ein Gesamtbild der Biosphäre vor allem die stofflich-funktionalen Komponenten der Ökosysteme wie etwa Biomasse-Produktion, Energieflüsse und Stoffkreisläufe untersucht wurden, der Einfluss des Menschen aber unberücksichtigt blieb. Mit der Gründung des MAB-Programms wurde dann der Mensch mit seinen Bedürfnissen und sein Einfluss auf die Umwelt stärker in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt.

Eine Schlüsselrolle im MAB-Programm spielen die UNESCO-Biosphärenparks ("biosphere reserves"). Biosphärenparks sind nach einheitlichen, international festgelegten Kriterien anerkannte Ökosysteme, in denen Modelle für eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen zum Wohle von Mensch und Umwelt entwickelt, erprobt und umgesetzt werden. Dieses moderne Schutz- und Entwicklungskonzept ist damit ideal geeignet, Naturschutz, Erhaltung der biologischen Diversität und Regionalentwicklung in Einklang zu bringen. Biosphärenparks sind damit Vorreiter- und Modellregionen in der Umsetzung der im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ mit dem Kerninhalt der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs - Sustainable Development Goals). Weltweit bilden derzeit 738 Modellregionen in 134 Staaten (darunter 22 grenzüberschreitende Regionen) ein globales Netzwerk von Biosphärenparks, dem auch vier österreichische Modellregionen (Großes Walsertal, Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge, Wienerwald, Unteres Murtal) angehören. Aktuell sind etwa 5 % der Erdoberfläche Teil eines UNESCO-Biosphärenparks.

Das MAB-Programm hat mit seinem Weltbiosphärenparknetzwerk in den fünf Jahrzehnten seines Bestehens weltweit Maßstäbe bei der Zusammenführung von Naturschutz, Forschung, Bildung, nachhaltigem Wirtschaften und soziokulturellem Nutzen für die Gemeinschaft gesetzt und ist damit ein Schlüsselakteur im Rahmen der globalen Nachhaltigkeitspolitik.9

Der Erfolg des MAB-Programms ist in seiner beständigen Weiterentwicklung während der letzten 50 Jahre begründet.10 Waren die ersten Biosphärenparks noch ausschließlich dem Naturschutz und der Forschung gewidmet und ohne Bezug zur Bevölkerung, hat sich ab 1995 mit der Sevilla-Strategie das Programm mit der Integration der vor Ort lebenden und wirtschaftenden Menschen und der Schaffung von verpflichtenden Rahmenbedingungen für ein weltweites Netzwerk der Biosphärenparks in ein modernes Instrument für eine nachhaltige Entwicklung gewandelt. Mit den Aktionsplänen von Madrid (2008) und Lima (2016) und einem 2013 gestarteten Qualitätssicherungsprozess wurde das Programm gemäß den sich ändernden globalen ökologisch-ökonomischen wie auch politischen Herausforderungen weiterentwickelt. In Zeiten, in denen Klimakonferenzen von Minimalkompromiss zu Minimalkompromiss schlittern, ist das MAB-Programm, das den nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt nicht nur propagiert, sondern auch erforscht und Lösungen präsentiert, wichtiger denn je.

1 http://www.biosphaerenparks.at/

2  https://www.bpww.at/sites/default/files/download_files/MAB_%C3%96sterreich_Kriterien_BPs_2016.pdf

3 http://www.biosphaerenparks.at/images/pdf/Positionspapier_Energie_deutsch_0410.pdf

4 http://www.biosphaerenparks.at/images/pdf/LAP_%C3%96sterreich_final.pdf

5 http://www.biosphaerenparks.at/index.php/de/publikationen

6  https://austriaca.at/eco.mont-13-si

7 Köck, G., G. Schwach, A. Mohl (2022). Mura-Drava-Danube biosphere reserve: a long way from the original idea to the designation of the worlds first 5-country biosphere reserve. International Journal of Environment and Sustainable Development 21(3), 253-269, DOI: 10.1504/IJESD.2021.10042054. Link

8  https://en.unesco.org/mab

9  Clüsener-Godt, M., G. Köck, L. Möller (2022). It is about life: 50 years of UNESCO's Man and the Biosphere Programme. International Journal of Environment and Sustainable Development 21(4), DOI: 10.1504/IJESD.2021.10043762. Link

10  http://www.biosphaerenparks.at/index.php/de/blog/105-50-jahre-mab-programm-%E2%80%9Eman-and-the-biosphere%E2%80%9C-eine-erfolgsgeschichte-der-unesco