Autor: Günter Köck

Im Rahmen des derzeit in Abuja (Nigeria) stattfindenden 33. Meetings des Internationalen Koordinierungsrates des UNESCO-MAB-Programms (MAB International Coordinating Council, MAB-ICC) wurde heute der von den Ländern Österreich, Kroatien, Ungarn, Serbien und Slowenien gemeinsam eingereichte Antrag zur Aufnahme des "Mur-Drau-Donau"-Korridors in das Weltnetzwerk der UNESCO-Biosphärenparks genehmigt. Damit wurde der weltweit erste, fünf Länder verbindende Biosphärenpark „Mur-Drau-Donau“ (TBR MDD) endlich Realität.

 

Video "Offizelle Anerkennung des TBR MDD durch den MAB-ICC (verlinkt zu Youtube)

 

Der von der Donau und ihren Nebenflüssen Mur und Drau gebildete Korridor ist die wertvollste zusammenhängende Flusslandschaft Mitteleuropas. Mit einer Gesamtfläche von rund 930.000 Hektar und einer Länge von 700 Kilometern ist der TBR MDD nun Europas längstes Flussschutzgebiet. Diese gerne als „Amazonas Europas“ bezeichnete Flusslandschaft erstreckt sich von der steirischen Mur über die Drau bis zur Donau und damit von Österreich über Slowenien, Ungarn und Kroatien bis nach Serbien (Abb. 1; Karte zum Vergrößern anklicken).

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Bild 1: Lage und Zonierung des TBRMDD (©: WWF Austria)

Der "5-Länder-Biosphärenpark Mur-Drau-Donau (TBR MDD)" verbindet fünf Ländern mit ihren nationalen Biosphärenparks (Datum der Anerkennung in Klammer):

Österreich: Biosphärenpark „Unteres Murtal“ (2019)

Slowenien: "The Mura River Biosphere Reserve" (2018)

Serbien: "Bačko Podunavlje Biosphere Reserve" (2017)

Kroatien und Ungarn: "Mura-Drava-Danube Transboundary Biosphere Reserve" (2012)

 

Präsentationsvideo (Produktion: WWF)

Die streng geschützten Auenlandschaften entlang der drei Flüsse bilden die Kern- und Pufferzonen des neuen, grenzüberschreitenden Biosphärenparks und sind mit einer Gesamtfläche von 280.000 Hektar sogar größer als alle österreichischen Nationalparks zusammen. Umgeben ist dieses Gebiet von einer sogenannten Entwicklungszone im Ausmaß von rund 650.000 Hektar, die als Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum der etwa 900.000 Einwohner*innen der grenzüberschreitenden Region fungiert. Das Gebiet beherbergt mit über 150 Brutpaaren die größte Seeadler-Dichte Europas und ist Rastplatz für mehr als eine Viertelmillion Wasservögel. Intakte Auen schützen Siedlungen vor Hochwässern und garantieren die Versorgung mit sauberem Trinkwasser. Die reizvolle Landschaft hat überdies großes Potential für einen nachhaltigen Tourismus.

 

„Mit der Genehmigung des TBR MDD wurde nicht nur die Basis für den Schutz dieses einzigartigen Flussökosystems, sondern auch für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Region gelegt. Sowohl die Identität der Region als auch die Lebensqualität der Menschen hängen stark von den Lebensadern Mur, Drau und Donau ab. Dieser Biosphärenpark bringt die Menschen in fünf Ländern Europas wieder stärker zusammen und ist damit ein Paradebeispiel für multilaterale Zusammenarbeit.“ betont der Vorsitzende des MAB-Nationalkomitees, Arne Arnberger von Universität für Bodenkultur Wien.

 

„Sicherlich werden in den nächsten Jahren noch einige Herausforderungen auf den Fünf-Länder-Biosphärenpark zukommen, die nur gemeinsam gelöst werden können. Ich bin aber davon überzeugt, dass der neue Biosphärenpark das bleiben wird, was er heute schon ist, nämlich ein herausragendes Beispiel für zwischenstaatliche Zusammenarbeit im Bereich Naturschutz und nachhaltige Entwicklung und damit ein Leuchtturmprojekt nicht nur für das MAB-Programm, sondern für die gesamte UNESCO.“ so der Vize-Vorsitzende und Rapporteur des MAB-ICC, Günter Köck.

 

„Die Einrichtung dieses Biosphärenparks – über fünf Staatsgrenzen hinweg und unter Einbindung internationaler Expertise – kann als Sinnbild schlechthin für die Anliegen der UNESCO gelten. Die globalen Herausforderungen unserer Zeit verlangen nach gemeinsamen Lösungen auf der Basis von grenzüberschreitender Kooperation und internationalem Austausch. Der Schutz und die nachhaltige Entwicklung des besonderen Ökosystems des „Amazonas Europas“ fördert genau diese Zusammenarbeit und ermöglicht die Umsetzung zukunftsweisender, innovativer Projekte, die wesentlich zur Erreichung der Ziele der UN-Agenda 2030 beitragen.“, so die Generalsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission, Patrizia Jankovic.

 

Die Donau ist mit ihren Nebenflüssen eine der ältesten und bedeutendsten europäischen Handelsrouten und verbindet nicht nur unterschiedliche Kulturkreise, sondern auch artenreiche Naturräume. In der langen Zeit des Kalten Krieges zwischen der Sowjetunion und der NATO, mit den blockfreien Ländern Österreich und Jugoslawien, hat die Bedeutung der Donau als Verkehrsweg abgenommen. Während der Zeit des Eisernen Vorhangs, waren die in den Grenzregionen liegenden Flussabschnitte von Donau, Drau und Mur 45 Jahre lang weitgehend isoliert und sind daher von intensiver menschlicher Nutzung verschont geblieben. Die politische Situation verhinderte damit jahrzehntelang die Verbauung großer Teile von Mur, Drau und Donau, sodass die weitgehend frei fließenden Flüsse ihr Bett selber schaffen und verändern konnten. So hat sich ein Biotopverbund aus Inseln, steilen Ufern aus Lehm und Sand, Wasserarmen und Auwäldern, der Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten ist, erhalten.

 

Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989 und dem politischen Wandel in Europa änderte sich die Situation ab Anfang der 1990er-Jahre sehr rasch und die Begehrlichkeiten in Bezug auf die Nutzung der Flüsse nahmen entsprechend zu. Gebiete, die vierzig Jahre lang kaum ein Mensch betreten durfte, waren nun frei zugänglich und nutzbar – in vielen Fällen mit negativen Auswirkungen auf die Natur. So etwa wurden einige Flussarme, Auwälder und Kiesbänke durch Kiesabbau und Kanalisierungsprojekte erheblich geschädigt. Die größte Gefahr drohte den noch verbliebenen natürlichen Flussabschnitten durch den geplanten Bau von Wasserkraftwerken an Mur und Drau. Seit den 1990er Jahren hat sich der WWF in Kooperation mit EuroNatur und zahlreichen Partnern federführend für den Erhalt der wertvollsten zusammenhängenden Flusslandschaft Mitteleuropas eingesetzt. Der Durchbruch zur Einrichtung des Fünf-Länder-Biosphärenparks erfolgte 2011, als die Umweltminister aller fünf Länder eine Erklärung unterzeichneten und sich zur Einrichtung eines grenzüberschreitenden Biosphärenparks zum Schutz des 700 km langen Flusskorridors verpflichteten. Mit der Aufnahme des TBR MDD in das UNESCO-Weltnetzwerk der Biosphärenparks wurde der vor 30 Jahren begonnene Verhandlungsprozess, an dem Günter Köck vom Österreichischen MAB-Nationalkomitee, gemeinsam mit Arno Mohl (WWF Österreich) und Gerhard Bachner (BMLRT) und weiteren Fachleuten aus den vier Partnerländern im „TBR MDD Coordination Board“ viele Jahre federführend beteiligt waren, nach vielen Höhen und Tiefen erfolgreich abgeschlossen.

 

„Mit der lange erwarteten offizielle Anerkennung des 5-Länder-Biosphärenparks durch die UNESCO wurde ein wichtiger international abgestimmter Schritt zur Erhaltung und Aufwertung von 930.000 Hektar wertvollsten Feuchtgebieten, Natur- und Kulturlandschaften im Mittel-Südosteuropäischen Raum gemacht. Hochwasserschutz, Naturtourismus, Biodiversitätsschutz und Tourismus sollen ab jetzt im Mur-Drau-Donau-Gebiet Hand in Hand gehen und konkrete Umsetzungsprojekte an den Flüssen sollen rasch in Angriff genommen werden, um diese Flussjuwelen mit all ihren Ökosystemleistungen zu erhalten!“ betont Gerhard Bachner (BMLRT), der die notwendigen Ministerdeklarationen vorbereitet hat.

 

"In Zeiten der Klimakrise und des Artensterbens ist der Schutz unserer letzten Naturgebiete eine Überlebensfrage geworden. Der ’5-Länder-Biosphärenpark’ beschreitet neue Wege, die statt Naturausbeutung – beispielsweise durch zerstörerische Wasserkraftprojekte – eine nachhaltige Form des Miteinanders von Mensch und Natur ermöglichen", ist WWF-Projektleiter Arno Mohl überzeugt.

 

Die gemeinsame Vision der fünf Länder ist die Erhaltung, Wiederherstellung und sinnvolle Nutzung der Flüsse Mur, Drau und Donau und ihrer Ökosysteme. Damit sichert der neue Biosphärenpark das Überleben der charakteristischen Lebensräume und Arten, während die Einwohner*innen in hohem Maße von ihren Ökosystemleistungen und ihrer klugen Nutzung profitieren. Die Region mit ihren Naturschönheiten, seltenen Lebensräumen und vielfältigen kulturellen Traditionen hat ein enormes Potenzial für eine nachhaltige Entwicklung. Damit kann die Region auch globalen Trends wie dem Klimawandel, dem Verlust der biologischen Vielfalt oder dem demografischen Wandel zukünftig effizienter begegnen. Durch "globales Denken und lokales Handeln" streben die Länder ein gemeinsames, harmonisiertes Management des Biosphärenparks an, das als Best-Practice-Beispiel für die internationale Zusammenarbeit in der Flussgebiets- und Wasserwirtschaft dienen kann. Die Verwaltung soll dabei auf einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen allen fünf beteiligten Ländern und einer sektorenübergreifenden Beteiligung aller relevanten Interessengruppen, Gemeinden und NGOs basieren. Die Basis zur multi-lateralen Zusammenarbeit wurde mit dem im vom WWF koordinierten Interreg-Projekt „coopMDD“ mit Stakeholdern aus allen fünf Anrainerstaaten erarbeiteten Management-Richtlinien-Katalog für ein harmonisiertes Schutzgebietsmanagement aller fünf Länder bereits gelegt.

 

Insgesamt wurden vom MAB-ICC, der noch bis zum 17. September tagen wird, 20 neue Biosphärenparks in das Weltnetzwerk aufgenommen (siehe nachstehende Liste). Dabei wurden erstmals auch Gebiete in Lesotho, Libyen und Saudi-Arabien ausgezeichnet.

Neue UNESCO Biosphärenparks:

  • Átl’ka7tsem/Howe Sound (Kanada)

  • Martinique (Frankreich)

  • Moselle Sud (Frankreich)

  • Monte Grappa (Italien)

  • Kolsai Kolderi (Kasachstan)

  • Matšeng (Lesotho)

  • Ashaafean (Libyen)

  • Avireri Vraem (Peru)

  • Wando Archipelago (Südkorea)

  • Kuznetsky Alatau (Rußland)

  • Farasan Islands/Juzur Farasan (Saudi Arabien)

  • Ribeira Sacra e Serras do Oribio e Courel (Spanien)

  • Doi Chiang Dao (Thailand)

  • Kon ha Nung (Vietnam)

  • Nui Chua (Vietnam)

  • Uvs Lake Depression (Mongolei/Rußland)

  • Five-country Biosphere Reserve Mura-Drava-Danube (Österreich, Kroatien, Serbien, Slowenien, Ungarn)

  • Penang Hill (Malaysia)

  • Mountain Great Bogdo (Rußland)

  • Lower Amudarya State (Usbekistan)

Einen herausragenden Erfolg stellt auch der erfolgreiche Abschluss des im Jahr 2013 begonnenen Qualitätssicherungsprozesses (Exit Strategy" bzw. „Process of Excellence and Enhancement of the WNBR as Well as Quality Improvement of All Members of the World Network") dar, mit dem eine durchgängig hohe Qualität innerhalb des Weltbiosphärenparknetzwerks erreicht werden sollte. Viele Länder haben dabei, vielfach mit partnerschaftlicher Unterstützung aus dem Weltbiosphärenparknetzwerk, große und letztlich erfolgreiche Anstrengungen unternommen, ihre Biosphärenparks an die modernen Biosphärenparkkriterien des MAB-Programms anzupassen. Von den ursprünglich 270 von der Exit Strategy betroffenen Biosphärenparks in 75 Ländern, konnten schlussendlich nur mehr drei Gebiete in zwei Ländern die erforderlichen Kriterien nicht erfüllen und sind ab sofort nicht mehr Teil des Weltbisophärenparksnetzwerks. Mit dem Ende der Exit Strategy wurde das große Ziel erreicht, das weltweite Netzwerk der UNESCO-Biosphärenparks auf eine neues Qualitätsniveau zu heben. Es ist damit nun sichergestellt, dass alle UNESCO-Biosphärenparks ihren Anspruch als Modellregionen für die Umsetzung der UN Agenda 2030 auch tatsächlich erfüllen können. Zwölf Länder  haben insgesamt 41 Gebiete freiwillig aus dem WNBR zurückgezogen. Damit besteht das UNESCO-Weltbiosphärenparknetzwerk aus nunmehr 727 Biosphärenparks in 131 Ländern (darunter 22 grenzüberschreitende Biosphärenparks).

 

Im Rahmen der feierlichen Eröffnung des ICC-Meetings in Anwesenheit des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari und der UNESCO-Generaldirektorin Audrey Azoulay wurde auch die dem 50jährigen Jubiläums des MAB-Programms gewidmete Wanderausstellung „It´s all about life!“ eröffnet (Link). Für Österreich sehr erfreulich ist die Tatsache, dass für die aus 30 Best-Practice-Beispielen aus dem Weltnetzwerk der Biosphärenparks zusammengestellten Ausstellung auch ein österreichisches Fallbeispiel, nämlich aus den Nockbergen, ausgewählt wurde.

LInk zum Beitrag des Nockberge-Managements: https://www.unesco.org/mab/50anniversary/en/salzburger-lungau

Ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt war die Vergabe der MAB Young Scientist Awards. Dabei wurden aus insgesamt 41 Einreichungen acht Preise zu jeweils etwa USD 5000,- an Nachwuchswissenschaftler/innen vergeben (siehe nachstehende Tabelle).

MAB Young Scientist Awards:

Esteban VALENCIA Ecuador Development of a methodology for monitoring of ecosystem's hotspots in the Biosphere Reserve Choco through Unmanned Aerial Vehicles and satellite imagery
Micaela GIORGINI Argentinien Effects of disturbances associated to climate change and anthropic action on the ecosystem services provided by the "Parque Atlantico Mar Chiquito" Biosphere Reserve
Loua Serge Patrick KONE Elfenbeinküste Amélioration des performances des systèmes agroforestiers (SAF) à base de cacaoyer dans la zone de transition de la Réserve de biosphère de Taï
Dese Yadeta EDESA Äthiopien Assessing the socio-economic contributions of Majang Forest Biosphere Reserve to the livelihoods of local communities: Promoting innovative approaches to socio-economic development that are socially and culturally appropriate, and environmentally sustainable
Grace WARIRA Kenya Land use change and impacts on animal dispersal of Maasai spaces with in Amboseli biosphere reserve ecosystem: the linkage between core and kimana conservancy/lenker swamps buffer
Zeina ASAAD BOURHANE Libanon Première étude à l’échelle microbienne de la qualité environnementale de la réserve de biosphère Jabal Moussa, Liban
Szabolcs SZANYI Ungarn

Survey on the scientifical possibilities of establishing a transboundary Biosphere Reserve in the Bereg lowland community ecol. research in the Szatmar-Bereg Landscape Protect.Region in Hungary and in the Game Reserve Area near Vel'ka Dobron' in Transcarpathian region of Ukraine

Dian BURHANI Indonesien The potential of local commodity of macroalgae from Karimunjawa Jepara Muria Biosphere Reserve as mask filter-based cellulose nanofiber in non-medical cloth mask to promote green economy for local community