Autor: Günter Köck

Das UNESCO-Programm “Der Mensch und die Biosphäre (Man and the Biosphere, MAB)” feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen. Mit den Regionen Wienerwald, Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge, Großes Walsertal und Unteres Murtal sind vier österreichische Biosphärenparks gemeinsam mit dem österreichischen MAB-Nationalkomitee als wichtige Partner mit im Boot.

Das im Jahr 1971 gegründete zwischenstaatliche Forschungsprogramm widmet sich der Beziehung zwischen dem Menschen und seiner Umwelt. Ziel der Forschungsaktivitäten im Rahmen des MAB-Programms ist die Schaffung eines Gleichgewichts zwischen dem Schutz der Artenvielfalt, der Förderung einer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und der Bewahrung der kulturellen Werte.

Der Vorläufer war das im Jahr 1964 gegründete „International Biological Programm (IBP)“ der UNESCO, in dem sich die ökologisch orientierte Biologie erstmals international organisiert hat. Im Rahmen einer weltweit koordinierten Forschungsinitiative wurden Schlüsselökosysteme, von der Tundra bis zum tropischen Regenwald, mit dem Ziel untersucht, Prozesse, die das Funktionieren natürlicher Ökosysteme beeinflussen, besser zu vergleichen und verstehen zu können. Das IBP-Programm legte damit den Grundstein für das heutige Ökosystemkonzept. Ein Problem des IBP-Programms war jedoch, dass damals im Bemühen um ein Gesamtbild der Biosphäre vor allem die stofflich-funktionalen Komponenten der Ökosysteme wie etwa Biomasse-Produktion, Energieflüsse und Stoffkreisläufe untersucht wurden, der Einfluss des Menschen aber unberücksichtigt blieb. Mit der Gründung des MAB-Programms wurde dann der Mensch mit seinen Bedürfnissen und sein Einfluss auf die Umwelt stärker in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt.

Eine Schlüsselrolle im MAB-Programm spielen die UNESCO-Biosphärenparks ("biosphere reserves"). Biosphärenparks sind nach einheitlichen, international festgelegten Kriterien anerkannte Ökosysteme, in denen Modelle für eine nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen zum Wohle von Mensch und Umwelt entwickelt, erprobt und umgesetzt werden. Dieses moderne Schutz- und Entwicklungskonzept ist damit ideal geeignet, Naturschutz, Erhaltung der biologischen Diversität und Regionalentwicklung in Einklang zu bringen. Biosphärenparks sind damit Vorreiter- und Modellregionen in der Umsetzung der im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ mit dem Kerninhalt der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs - Sustainable Development Goals).

Weltweit bilden derzeit 714 Modellregionen in 129 Staaten (darunter 21 grenzüberschreitende Regionen) ein globales Netzwerk von Biosphärenparks, dem auch vier österreichische Modellregionen (Großes Walsertal, Salzburger Lungau & Kärntner Nockberge, Wienerwald, Unteres Murtal) angehören. Aktuell sind 5 % der Erdoberfläche Teil eines UNESCO-Biosphärenparks.

50 Jahre MAB-Programm

Das MAB-Programm hat mit seinem Weltbiosphärenparknetzwerk in den fünf Jahrzehnten seines Bestehens weltweit Maßstäbe bei der Zusammenführung von Naturschutz, Forschung, Bildung, nachhaltigem Wirtschaften und soziokulturellem Nutzen für die Gemeinschaft gesetzt und ist damit ein Schlüsselakteur im Rahmen der globalen Nachhaltigkeitspolitik.

Der Erfolg des MAB-Programms ist in seiner beständigen Weiterentwicklung während der letzten 50 Jahre begründet. Waren die ersten Biosphärenparks noch ausschließlich dem Naturschutz und der Forschung gewidmet und ohne Bezug zur Bevölkerung, hat sich ab 1995 mit der Sevilla-Strategie das Programm mit der Integration der vor Ort lebenden und wirtschaftenden Menschen und der Schaffung von verpflichtenden Rahmenbedingungen für ein weltweites Netzwerk der Biosphärenparks in ein modernes Instrument für eine nachhaltige Entwicklung gewandelt. Mit den Aktionsplänen von Madrid (2008) und Lima (2016) und einem 2013 gestarteten Qualitätssicherungsprozess wurde das Programm gemäß den sich ändernden globalen ökologisch-ökonomischen wie auch politischen Herausforderungen weiterentwickelt. In Zeiten, in denen Klimakonferenzen von Minimalkompromiss zu Minimalkompromiss schlittern, ist das MAB-Programm, das den nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt nicht nur propagiert, sondern auch erforscht und Lösungen präsentiert, wichtiger denn je.

Die engagierte Arbeit des Österreichischen MAB-Nationalkomitees

In Österreich liegt die Koordination des MAB-Programms, das vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBFW) finanziert wird, beim an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angesiedelten Nationalkomitee. Das im Jahr 1972 gegründete Österreichische Nationalkomitee hat in den fast fünf Jahrzehnten seines Bestehens nicht nur herausragende Forschungsleistungen erbracht bzw. initiiert, sondern hat sich mit seiner Expertise auch intensiv an der Koordinierung und Weiterentwicklung des internationalen MAB-Programms beteiligt und damit hohes internationales Ansehen erworben. Schon bei seiner Gründung wurde das Nationalkomitee vom Wissenschaftsministerium weitblickend mit einem eigenen Forschungsbudget ausgestattet. Damit kann das Komitee wissenschaftliche Defizite nicht nur identifizieren, sondern mit geeigneten Forschungsprojekten diese Wissenslücken auch füllen. Die Projekte weisen ein weites Themenspektrum auf und reichen vom Klimawandel über Monitoring und Zukunftskonzepte bis zur Landschaftsökologie und sozialwissenschaftlichen Themen. Wichtige Meilensteine für das österreichische MAB-Programm waren sicherlich auch der im 2006 veröffentlichte und im Jahr 2015 überarbeitete nationale Kriterienkatalog für Biosphärenparks in Österreich so wie das 2017 erstellte Positionspapier zur Nutzung von Erneuerbaren Energien in österreichischen Biosphärenparks (Link).

Die engagierte Arbeit des Nationalkomitees und der heimischen Biosphärenparks in der internationalen MAB-Familie wird auch international honoriert, so wurde Österreich in den letzten 10 Jahren mehrfach in das Entscheidungsgremium des MAB-Programms, den MAB-International Coordinating Council (MAB-ICC) gewählt und übernahm in Person des Koordinators der ÖAW-Forschungsprogramme Günter Köck auch viermal den Vizevorsitz des internationalen MAB-Programms.

„Das österreichische MAB-Nationalkomitee, das mit seinem eigenen Forschungsbudget weltweit eine Sonderstellung einnimmt, leistet bei der Koordinierung und Weiterentwicklung des UNESCO-MAB-Programms eine international vielbeachtete Arbeit.“ betont der Vorsitzende des MAB-Nationalkomitees, Arne Arnberger (Universität für Bodenkultur Wien).

Zum 50-Jahre Jubiläum des MAB-Programms trägt das Nationalkomitee u.a. mit der Organisation und Finanzierung eines umfangreichen Sonderbandes mit zahlreichen Beiträgen zum Thema „UNESCO Biosphärenparks in Berggebieten“ in der internationalen Fachzeitschrift eco.mont bei. Die Publikation wird im Oktober päsentiert!

„Die Verschränkungen von Mensch und Umwelt stehen seit nun 50 Jahren im Zentrum dieses erfolgreichen UNESCO-Programmes. In einer Zeit, in der der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen durch den Menschen immer mehr in den Fokus rückt, gewinnt auch das MAB-Programm mit seinen weltweit mehr als 700 Modellregionen immer mehr an Relevanz. Dass Österreich mit vier Regionen in diesem globalen Netzwerk vertreten ist, ist nicht nur erfreulich, sondern stellt einen ganz konkreten Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der UN-Agenda 2030 für eine bessere Zukunft für uns alle dar.“, so Patrizia Jankovic, Generalsekretärin der Österreichischen UNESCO-Kommission.

Die österreichischen UNESCO-Biosphärenparks

In Österreich sind vier Biosphärenparks von der UNESCO anerkannt. Mit der Region „Großes Walsertal“ wurde im Jahr 2000 der erste nach Sevilla-Strategie arbeitende Biosphärenpark eingerichtet. Im Jahr 2005 folgte der Wienerwald, im Jahr 2012 dann „Salzburger Lungau und Kärntner Nockberge“ und schließlich 2019 der Biosphärenpark „Unteres Murtal“. Letzterer wird auch Teil des weltweit ersten fünf Länder (Slowenien, Kroatien, Ungarn, Serbien, Österreich) verbindenden Biosphärenparks im Mur-Drau-Donau-Korridor, mit dessen offizieller Anerkennung durch die UNESCO Mitte September 2021 zu rechnen ist.

„Der Wert der Zugehörigkeit zu einem internationalen Netzwerk kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch intensiven Informationsaustausch kann man nicht nur von anderen Biosphärenparks lernen, sondern trägt durch die Weitergabe der eigenen Expertise zu Weiterentwicklung des MAB-Programms bei“ so der Vize-Vorsitzende und Rapporteur des MAB-ICC, Günter Köck.

„Als einwohnerstärkster Biosphärenpark in Österreich stehen im Wienerwald vor allem die Wohlfahrtswirkung und die Ökosystemleistung des Wienerwaldes im Mittelpunkt. Die Grüne Lunge für die Stadt Wien und für die ganze Region funktioniert nur, wenn sie auch nachhaltig gesichert wird. Die Anerkennung als Biosphärenpark durch die UNESCO gibt uns das ideale Instrument in die Hand, diese Entwicklung bundesländerübergreifend zu steuern und zu koordinieren“ erläutert Andreas Weiß, Direktor des Biosphärenpark Wienerwald.

„Seit dem Jahr 2000 wird im Biosphärenpark Großes Walsertal die Leitidee des MAB-Programmes für ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur mit einem hohen Grad an Partizipation konsequent umgesetzt. Gemeinsam mit der Bevölkerung wird die Biosphärenparkentwicklung als bewusster, langfristiger Weg für eine nachhaltige Entwicklung betrachtet und der Lebensraum als wertvolle Ressource mit viel Eigenverantwortung entsprechend gestaltet und erhalten.“ erklärt Christine Klenovec, Geschäftsführung Biosphärenpark Großes Walsertal.

Die beiden Geschäftsführer Dietmar Rossmann (Nockberge) und Markus Schaflechner (Lungau) zeigen sich sehr erfreut, dass es im größten Biosphärenpark Österreichs, der Region „Salzburger Lungau und Kärntner Nockberge“, gelungen ist, die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der regionalen kulturellen Werte und die nachhaltige Entwicklung der Region gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung in beispielhafter Weise unter einen Hut zu bringen.

„In der gemeinsamen Planung und Entwicklung des Biosphärenparks Unteres Murtal liegen besondere Chancen auch für die Regionalentwicklung in der Region Südoststeiermark.Steirisches Vulkanland. Im Sinne der Nachhaltigkeit und der besonderen Bedeutung des Klimaschutzes werden die Gedanken für Arten-, Boden- und Wasserschutz, die Bewahrung von Flora und Fauna in den Mittelpunkt gerückt. Damit leistet der Biosphärenpark Unteres Murtal mit seinem besonderen Lebensraum Mur einen wichtigen Beitrag zur Klimawandelanpassung und nachhaltigen Entwicklung der Region.“ erklärt der Regionsvorsitzende und Vorsitzende des Steuerungsgremiums Biosphärenpark Unteres Murtal, LAbg. ÖR Vz.-Bgm. Franz Fartek.

 

Link zum Artikel der Austria Presse Agentur (APA): https://science.apa.at/power-search/13537955089631159883 

Links zu weitere Informationen:

https://en.unesco.org/mab

https://en.unesco.org/mab/50years

https://en.unesco.org/biosphere/wnbr

https://www.bpww.at/

https://www.grosseswalsertal.at/

https://www.biosphaerenparknockberge.at/

https://www.biosphaerenpark.eu/

https://www.unesco.at/ 

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